Die rosarote Brille

Die rosarote Brille
Ich bin immer noch der Ansicht. Das ganze Thema Hund ist gar nicht so einfach, auch nicht mit einem Lagotto, da vielleicht erst recht nicht, auch wenn alle Hunderatgeber und Rassebeschreibungen uns etwas anderes glauben machen wollen. Einfach ist es nämlich nie.
Auch als Züchter ist es nicht immer leicht. Das haben wir bei unserem D-Wurf anfangs mit unserem kleinen Digit erleben müssen.
Bisweilen muss man sie nämlich absetzen, die rosarote Brille, auch in der Zucht, weil eben nicht alles so glatt läuft, wie man es sich wünschen würde. Bei unseren „Ds“ war der Blick in den ersten Tagen getrübt. Sehr sogar. Wir haben einen Welpen verloren, das war traurig für uns. Sicherlich, eine Erfahrung, mit der man als Züchter rechnen muss, die sich aber keiner wünscht.
Nichts desto trotz. Oder vielleicht gerade wegen der besonderen Situation. Das beste Gespräch in 2018 habe ich mit der Tierärztin geführt, die sich medizinisch um unseren kleinen Digit gekümmert hat. Bis zum Schluss. Mit ganz viel Empathie, aber ohne rosarote Brille.
Die hatten wir dann viele Wochen bei den sechs „Ds“ Da Capo, Dancer, Deeny, Destiny, Dundee und Duster auf. Kleine „Vorzeige-Lagotti“, die viel Spaß gemacht haben. Eine rosarote Zeit auf gelbem Pipi-Untergrund. Züchter haben Gott sei Dank noch nicht den allgewaltigen Erziehungsauftrag und können Quatsch, der für das Leben fit macht, rund um die Uhr durchgehen lassen.
Den Ernst des Lebens geben sie gerne weiter an die Welpenkäufer und da ist dann klarer Durchblick gefordert. Mal als enger Blick, mal als Weitblick.
Weitblick für die Kreativität. Denn Kreativität in der Hundeerziehung beginnt, wenn du den gewünschten Vorzeigehund vergisst und einen Begleiter mit allem Für und Wider möchtest. Heißt also, ruhig Dinge von der Hundeerziehungswunschliste streichen, die sich vielleicht niemals erfüllen werden. Kreatives Problemlösen in der Hundewelt. Das funktioniert nicht mit einer Abarbeitung sogenannter Hundegesetzmäßigkeiten, die in aller Munde sind. Das funktioniert durch Abweichen von Routinen, durch kluges Infrage stellen alter Erziehungsmethoden oder auch der neuen.
Ein Tunnelblick für Einschränkungen. Im positiven Sinne für den Hund. Denn Einschränkungen, heißt für ihn: Lagotto benimmt sich wie Lagotto und nicht „ich mach mal Männchen, bin immer nett und tu nur was Mensch will“.
Nach vier Würfen, eigenen Erfahrungen mit meinen Hunden und Training mit andern Rassen kann ich sagen, vor allem „hundliches Hundeverhalten“ fördert hoffentlich „hundliches Menschendenken“ und macht dem Hundebesitzer klar. Mein Hund ist Persönlichkeit und weicht Gott sei Dank von der Norm ab. Welche Norm überhaupt? Kein Hundeerziehungskurs dieser Welt wird manches ändern, von dem wir denken „na ja, das hätte im Verhaltensrepertoire auf der Skala nicht ganz oben stehen müssen. Ist es jetzt aber und ich mach mal das Beste daraus. Die Top Ten erstrebenswerter Eigenschaften definiert unser Vierbeiner eben anders als sein Mensch.
Ein Hund sieht Dinge anders als wir und das nicht nur im übertragenen Sinn sondern auch rein anatomisch. Das ist bekannt. Und man weiß heutzutage. Sie können Farben sehen.
Vielleicht sogar rosarot.